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Foto: Chinesische Obstverkäuferin mit ihrer Ware

Infos, Empfehlungen & Wissenswertes: Testimonials 经验报告

Hier findest du Erfahrungsberichte von Teilnehmenden des Chinakompetenzprojekts der 13 Begabtenförderungswerke und der Stiftung Begabtenförderung berufliche Bildung (CHIN-KoBe)

Erfahrungsbericht "Meine Zeit mit CHIN-KoBe"

[16.05.2025]

Ein Gastbeitrag von Anne Schlosser, Stipendiatin der Hans-Böckler-Stiftung und Teilnehmerin des CHIN-KoBe-Projekts.

Vor Kurzem saß ich auf dem Sofa und sah einem Freund beim Playstationspielen zu. Dabei hatte er gerade mit dem neuen Spiel „Black Myth: Wukong“, das von einem chinesischen Gamestudio herausgebracht wurde, begonnen. Ich schaute ihm eine Weile dabei zu, wie er seinen Charakter, nur mit einem Stab bewaffnet, gegen verschiedene Gegner kämpfen ließ. Dabei hörte ich mich selbst sagen: „Wusstest du, dass das Spiel auf dem Roman Die Reise nach Westen (西游记) basiert, der zu den vier großen Werken in chinesischer Sprache (四大名著) zählt?“ Woher ich das wusste? Davon hatte ich in einem der CHIN-KoBe-Seminare erfahren.

Das Thema China begleitet mich schon seit dem Beginn meines Studiums. Im ersten Semester meines Buchwissenschaftsstudiums musste ich Schlüsselqualifikationen belegen und hatte den festen Vorsatz, eine neue Sprache zu lernen. Ich wollte etwas ganz Neues ausprobieren, etwas, das man sich sonst nicht so einfach aneignen kann. Da kam mir Chinesisch in den Kopf. Zuerst war ich etwas skeptisch, ob mir die Sprache gefallen würde, doch meine Zweifel wichen schnell. Auch wenn es am Anfang schwer war, die vier verschiedenen Töne in der Aussprache und die vielen Schriftzeichen zu lernen, hatte mich die Sprache enorm begeistert. Sie weckte meinen Ehrgeiz. 2021 wurde ich während meines zweiten Bachelorsemesters in die Hans-Böckler-Stiftung aufgenommen. Im Einführungsseminar der Stiftung hatte ich erzählt, dass ich Chinesisch lerne, woraufhin mir das CHIN-KoBe-Programm empfohlen worden war. Mir machte das Lernen der Sprache viel Spaß und ich konnte bereits erste größere Erfolge erzielen, aber mit dem Land als solches hatte ich mich bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht wirklich beschäftigt. Während der Coronapandemie hatte ich viel Zeit nachzudenken und habe mich dann für die Akademie[1] des CHIN-KoBe-Programms angemeldet. Ich hatte keine konkreten Erwartungen, wollte vor allem Abwechslung und etwas mehr über China lernen. Dass mich dieses Programm und mein Interesse für China über drei Jahre und mein ganzes Studium begleiten sollten, hätte ich damals nie geglaubt. Die einzelnen Kurse haben mich sofort begeistert. Sie waren abwechslungsreich gestaltet und boten aus verschiedenen Blickwinkeln einen super Einstieg in das Thema – Wissenschaft, Politik und Kultur. Es waren insgesamt neun Sitzungen, in denen wir tief in das Thema „China“ eintauchten. In festgelegten kleinen Gruppen sprachen wir regelmäßig über das Gelernte und schafften so eine schöne Abwechslung zu den Vorträgen. Es wurde also niemals langweilig und wir konnten uns viel untereinander austauschen, was von Buchtipps zu China über Kochinspirationen bis hin zu unseren eigenen Erfahrungen mit China reichte.

2022 habe ich mich dann für meinen ersten Chinesischkurs am Landesspracheninstitut (LSI) der Ruhr-Universität in Bochum beworben. Denn im Rahmen des zweiten Moduls von CHIN-KoBe kann man dort Chinesisch lernen. Das ist auch unerlässlich, um richtige Chinakompetenz zu erwerben und deshalb ein essenzieller Baustein des Projekts. Da ich bereits Kurse an der Uni besucht hatte, konnte ich direkt beim zweiten LSI-Kurs einsteigen. Ich hatte mich für den zehnwöchigen Abendkurs beworben, wobei wir zweimal in der Woche abends Unterricht hatten – neben Arbeit und Hausarbeiten eine echte Herausforderung. Die Mühe zahlte sich jedoch aus, da meine Kenntnisse nach diesen zehn Wochen auf einem völlig neuen Stand waren. Im Fokus dieser Kurse steht vor allem das Sprechen der Sprache. Da ich bereits viele chinesische Schriftzeichen gelernt hatte, half mir der Kurs, meine Aussprache und das eigene Verständnis zu schulen.

2023 hatte ich die Möglichkeit, an einem der „China-in-Europa“-Seminare teilzunehmen – in meinem Fall in Rotterdam. Sechs Tage war ich in einer vielfältigen europäischen Stadt mit interessanter chinesischer Einwanderungsgeschichte unterwegs. Wir beschäftigten uns dort stark mit nachhaltiger Mobilität und inwiefern China die Mobilität der Zukunft beeinflusst. Dazu sprachen wir beispielsweise mit der deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ). Bei einem Rundgang durch die China Town und dem Besuch einer Ausstellung mit chinesischen Kulturgegenständen lernten wir viel über die chinesische Community in Rotterdam. Während eines Ausflugs nach Delft, einer Stadt, die bekannt ist für ihr blau-weißes Porzellan, wurde uns erst klar, woher das Porzellan überhaupt ursprünglich stammte, nämlich aus China! Die einzelnen Seminare kann ich nur wärmstens empfehlen, nicht allein, um einen ersten praktischen Einblick zum Thema „China“ zu erhalten (und gut Chinesisch essen zu gehen), sondern auch, um neue Menschen kennenzulernen, die sich alle für China und die chinesische Kultur interessieren.

Anschließend ist jedoch einige Zeit vergangen, bis ich dann endlich ins chinesischsprachige Ausland reisen konnte. Die Möglichkeit dazu hatte ich im Rahmen der Auslandsakademie in Taiwan. Das war in vielfältiger Hinsicht besonders für mich: Noch nie bin ich in meinem Leben so lange geflogen und war dermaßen weit von zu Hause entfernt. Insgesamt waren diese sechs Wochen eine der anstrengendsten, aber auch besten Zeiten meines Lebens. Dies lag zum einen an dem intensiven Sprachkurs. Durch die fünf Stunden, die mich der Kurs jeden Tag forderte, Hausaufgaben sowie tägliche und wöchentliche Prüfungen wurde mir zugleich die taiwanesische Art des Lernens vermittelt. So konnte ich zeigen, was ich auch selbst in der Lage war zu leisten. Zum anderen war es die Erfahrung, neue Menschen kennenzulernen, die diese Zeit derart unvergesslich für mich gemacht hat. Die von der Sprachschule geplanten kulturellen Veranstaltungen halfen dabei, einen Einblick in das Leben in Taiwan zu erhalten und die taiwanesische Kultur besser zu verstehen. Nach den Kursen und am Wochenende unternahmen wir mehrere Ausflüge, waren in Taipeh unterwegs, fuhren an der Küste Fahrrad oder mit dem Schnellzug (高铁) in den Süden. Dabei lernten wir die unterschiedlichsten Menschen kennen. Wir wurden zum Teetrinken und Nudelessen eingeladen, erhielten eine Führung durch einen Tempel und waren gemeinsam wandern. Das eigene Chinesisch direkt mit Taiwanes*innen zu üben, war nicht nur sehr hilfreich, sondern hat richtig viel Spaß gemacht. Durch den persönlichen Austausch bekamen wir auch die taiwanesische Sichtweise auf politische Sachverhalte mit. Während unseres gesamten Aufenthalts stand immer die Beziehung zu China im Fokus. Wie aktuell dieses Thema ist, zeigte sich zum Zeitpunkt unseres Rückflugs, als bereits die nächste Militärübung Chinas anstand.

Wie geht es jetzt weiter? Mein Interesse an China, der Kultur sowie der Sprache ist ungebrochen und es wächst noch durch unseren neu gegründeten CHIN-KoBe-Buchclub, in dem wir chinesischsprachige Bücher lesen. Auch der persönliche Austausch mit anderen Teilnehmenden des CHIN-KoBe-Programms trägt dazu bei. In meinem Studium selbst habe ich nach wie vor wenig mit China zu tun, glaube jedoch, dass sich hier direkt ansetzen lässt. Denn gerade in Deutschland fehlt es an Chinakompetenz, das merke ich immer deutlicher in Gesprächen mit Freunden und Kommiliton*innen. Demnächst schließe ich meinen Master ab und würde dann gern einmal nach China reisen, um meine sprachlichen und kulturellen Kenntnisse anzuwenden und weiter auszubauen. Für mich hat sich das Programm in jeder Hinsicht gelohnt, nicht umsonst begleitet es mich jetzt schon so lange. Vielleicht erscheint das Einordnen chinesischer Videospiele auf den ersten Blick als keine besonders wichtige Kompetenz, doch meiner Meinung nach spielen gerade diese interkulturellen Aspekte, ja überhaupt ein Verständnis von China an sich zu haben, eine immer bedeutendere Rolle. Deshalb, wenn ihr Interesse an China habt, bewerbt euch unbedingt für die einzelnen Module! Ja, Chinesisch zu lernen, scheint am Anfang unmöglich zu sein, aber wenn man dranbleibt und sich Mühe gibt, kommt man auch sehr weit. Der Aufwand lohnt sich allemal. 加油!

 

[1] Inzwischen ersetzt durch die MOOCs – Modul 1

Erfahrungsbericht Auslandsakademie Taiwan

[27.11.2024]

Ein Gastbeitrag von Niklas Bodfeld, Stipendiat der Stiftung der Deutschen Wirtschaft und Teilnehmer des CHIN-KoBe-Projekts.

Am 1. September war es wieder so weit für die jährliche CHIN-KoBe Auslandsakademie Taiwan. 19 Stipendiat*innen aus acht verschiedenen Werken machten sich auf nach Taiwan, um sechs Wochen lang Chinesisch zu lernen und Taiwans diverse Kultur besser kennenzulernen. Nach knapp 14 Stunden Flug von Frankfurt nach Taipeh probierten wir uns erst einmal alle an dem Touristenglücksrad, denn Taiwan nennt sich für Touristen auch „The Lucky Land“. Für uns verlief es jedoch leider nicht so lucky, da niemand etwas gewonnen hat. Der erste Schritt aus dem Flughafengebäude in die brütend warme Hitze Taiwans ließ uns das jedoch schnell wieder vergessen. Wir wurden direkt mit dem Bus abgeholt, der uns zu unserem Hotel brachte, in dem wir die nächsten sechs Wochen in Zweierzimmern leben sollten.

Nach einer Rundtour mit Vivienne vom Chinese Language Division Language Center (CLD), der Sprachschule der National Taiwan University(NTU) 国立台湾大学, durch die Gegend um das Hotel war der Rest des Tages zur freien Verfügung, und am Abend wurde der erste für Taiwan typische Nachtmarkt 夜市 besucht. Diese gibt es in Taiwan fast überall und sie sind Teil der dortigen Kultur. Besonders herausgestochen ist Stinky Tofu 臭豆腐, der den Geruch von allen anderen Snacks überlagerte und einen sehr speziellen Geschmack hatte. Supercool war es, dass einige Stände auf den Nachtmärkten sogar einen Michelin Stern hatten. Neben Taiwans Nationalgetränk Nr. 1, Bubble Tea, gibt es auch viele verschiedene Sorten Obst und Snacks aller Art.

Aufgeteilt auf zwei Klassen unterschiedlicher Niveaus, ging es am nächsten Morgen offiziell los und der Unterricht am CLD begann. Eine Umstellung für die meisten von uns, da das System an der Universität dort ein etwas anderes ist als bei uns in Deutschland. Pünktlichkeit ist einer der wichtigsten Aspekte dort, zudem steht der Frontalunterricht im Fokus. Wir hatten uns aber alle schnell daran gewöhnt und genossen vor allem auch den kulturellen Austausch mit unseren Lehrkräften sehr. Eines der ersten Wörter im Unterricht: 时差反应, wörtlich „Zeitdifferenz-Reaktion“. Scheinbar sahen die Lehrerinnen uns unseren Jetlag in den ersten Tagen an.

Fortan gingen wir schon um 11 Uhr Mittagessen, verbrachten den späten Nachmittag mit Lernen in der Bibliothek und machten abends in der Lobby des Hotels Hausaufgaben, um uns auf die freitäglichen Prüfungen und die täglichen Pinyin-Tests vorzubereiten. Neben einem tollen Campus mit eigener Farm (und sehr leckerem Eis) bietet die NTU sehr viele Fitnessmöglichkeiten zum Basketball-, Badminton- oder Fußballspielen an. Auch ein Fitnesscenter sorgte für den nötigen sportlichen Ausgleich am Abend.

Über den täglichen Sprachunterricht hinaus bot uns das CLD fünf Cultural Classes an, in denen wir sowohl Kungfu-Übungen machten, etwas über die Karriere als Peking-Oper-Schauspieler lernen durften und sogar die weltweit letzte Schriftgießerei (Type Foundry) für traditionell chinesische Zeichen besuchten, in der uns der Inhaber in dritter Generation durch sein Geschäft und seine Produktionsstätte führte.

Abseits vom CLD-Programm verbrachten wir einen Nachmittag im Deutschen Institut im Taipeh 101, dem ehemals höchsten Gebäude der Welt und immer noch höchsten Gebäude Taiwans. Neben der großartigen Aussicht bekamen wir einen Überblick über die politische Situation Taiwans. In einem Termin bei der Deutschen Außenhandelskammer in Taiwan wurde der Überblick noch einmal erweitert, und wir konnten unsere Fragen zu möglichen Karriereoptionen, Industriefokus und Arbeitssituation bei einem Wirtschaftsbriefing loswerden.

An den Wochenenden bildeten sich meistens kleinere Gruppen, um individuelle Ausflüge zu unternehmen. So gingen einige von uns sehr gerne wandern (was in Taiwan aufgrund der vielen Berge und der wunderschönen Natur sehr gut möglich ist), andere nutzten das Wochenende zum Entspannen oder zum Austesten von Taipehs Nachtleben. Neben Städtetrips mit Taiwans Hochgeschwindigkeitszug 高铁 war auch Fahrradfahren entlang der Nordküste Taiwans eine tolle Wochenendbeschäftigung. Dort gibt es sogar einen mehrere Kilometer langen Fahrradtunnel, der früher von den Japanern als Transportweg für Holz genutzt wurde und heute mit Lichtanimationen ausgestattet ist.

Die Wochen vergingen wie im Flug. Auf den Ausflügen am Wochenende übten wir Sprechen und unterhielten uns mit Locals, die uns, gerade beim Wandern, nicht nur zum Tee trinken, sondern beim Mondfest auch zum gemeinsamen Pomelo-Essen 柚子 bei schönem Wetter einluden. Einige von uns wurden sogar spontan zum Mondfest-Barbecue eingeladen und feierten den Vollmond-Abend mit klassisch taiwanesischem Essen unter freiem Himmel.

Doch das schöne Wetter sollte nicht täuschen. Schon einige Tage später hieß es Online-Unterricht statt morgendlichem Radeln zur Uni. Für die taiwanesische Bevölkerung sind regelmäßige Taifune normal. Obwohl Taipeh aufgrund seiner nördlichen Lage weniger stark gefährdet ist, erlebten wir, wie das Leben in der Stadt für zwei Tage nahezu stillstand. Grund dafür war die Ankündigung eines Taifuns, bei der die Regierung den Notstand ausrief und zwei Tage "Taifunfrei" gewährte. Zum Glück richtete der Taifun, zumindest in Taipeh, keinen erheblichen Schaden an und unsere Notfall-Ramen, zu deren Kauf uns unsere Lehrerinnen geraten haben, waren umsonst.

Kurz danach ging es für viele von uns auf zu einem Besuch in Hualien 花莲, der größten Stadt an Taiwans Ostküste. Dort trafen sich einige Stipendiat*innen auf Empfehlung der Teilnehmenden der Taiwan-Akademie 2023 mit einer Gruppe Indigener (bzw. einem Stamm der indigenen Bevölkerung Taiwans). Wir bekamen nicht nur einen Einblick in das Sammeln von Bambus und das Zubereiten verschiedener Speisen, sondern machten auch eine geführte River-Tracing-Tour mitten durch Taiwans schöne Natur. Die Stadt an sich war jedoch wegen des vorherigen Taifuns sehr menschenleer und nahezu touristenlos, wie uns einige Locals erklärten.

Nach Wochen des Unterricht war es dann so weit: Unsere finale Abschlussprüfung am CLD stand an. So hieß es die letzten Tage: Lernen, lernen, lernen! Dabei gab es sowohl einen schriftlichen Test als auch eine mündliche Präsentation, in der wir zeigen konnten, was wir in den sechs Wochen alles mitgenommen hatten. Jede*r durfte sich ein eigenes Thema aussuchen, zu dem er*sie dann eine ca. fünfminütige Präsentation (natürlich frei und auf Chinesisch) hielt. Anschließend bekamen wir unsere Abschlussurkunden.

Schließlich ging es per Direktflug zurück nach Deutschland. Die sechs Wochen waren schneller vorbei als gedacht.

Wenn ihr Chinesisch lernt und es aufs nächste Level bringen wollt, seid ihr bei der Auslandsakademie Taiwan auf jeden Fall richtig! Wir haben super lehrreiche sechs Wochen verbracht, neue Freund*innen gefunden und sind tief in die taiwanesische (Sprach-)Kultur eingetaucht.

Zum Schluss noch ein Reisetipp: Auf dem Elephant Mountain 象山 gibt es eine super tolle Aussicht auf die Skyline Taipehs. Nach einigen hundert Stufen kann dort sowohl der Sonnenaufgang als auch der Sonnenuntergang perfekt betrachtet werden.

Ein Rückblick auf das „China in Paris“-Seminar

[18.05.2022]

Ein Gastbeitrag von Ewa Schönborn, Stipendiatin der Hans-Böckler-Stiftung und Teilnehmerin des CHIN-KoBe-Projekts.

Am 20.4. war es so weit: 18 Stipendiatinnen und Stipendiaten aus 10 verschiedenen Förderwerken brechen im Rahmen des CHIN-KoBe-Projekts auf nach Paris! Warum Paris? Neben dem Eiffelturm, bekannten Künstlerkaffees und schönen Parks kann die „Stadt der Liebe“ auch mit einem starken China-Bezug glänzen. Mit mehr als 600.000 Menschen chinesischer Abstammung findet sich in Paris die größte Gemeinschaft von Auslandschinesen in Europa. Bei Spaziergängen durch das elfte, dritte und dreizehnte Arrondissement entdeckten wir die China-Towns Paris‘ – historisch und kulinarisch. Dabei erklärte uns Dr. Chuang den Einfluss der Textilindustrie auf das Viertel. Frankreich spielte zudem als beliebter Studienort für Chinesen in den 1920er Jahren eine bedeutende Rolle für die politische Entwicklung Chinas, wie wir auf unserem Tagesausflug nach Montargis und dem Besuch im „Musée Historique de l’amité Franco-Chinoise“ erfahren durften. Für Interessierte kann dieses unter diesem Link selbst erforscht werden.
Mehr über die Geschichte Chinas erfuhren wir zudem in lebhaft vorbereiteten Kurzreferaten – vom Beginn der Xia Dynastie, über Ethnien und Religion in China bis hin zur Gründung der Kommunistischen Partei 1921 – begleitet von unserem Besuch im „Musée Guimet“. Auch nutzten wir die Gelegenheit einen lokalen buddhistischen/taoistischen Tempel zu besuchen.
Eines der Highlights des Seminars war das Gespräch zur französischen und europäischen China-Politik mit Dr. Antoine Bondaz, der mit beeindruckender Klarheit unsere Fragen rund um das Thema beantworten konnte. Dicht gefolgt davon die Führung durch das „Musée Cernuschi“, ehemalige Privatsammlung eines Asienreisenden, die eine Zusammenfassung des neu entdeckten China-Wissens bot und auf unseren bestehenden China-Grundlagen aufbaute.
Neben den offiziellen Programmpunkten wurde sich natürlich auch fleißig zwischen den Teilnehmenden ausgetauscht. Die Konstellation der Teilnehmenden aus verschiedenen Förderwerken und mit so unterschiedlichen Hintergründen war dabei besonders bereichernd und ist auch definitiv einer der Stärken des CHIN-KoBe-Projekts! An Einfällen und Kreativität mangelte es nie, sodass spontan Lauf-Gemeinschaften, Theater-Besuche und auch ein kleiner Pleco-Crashkurs entstanden sind.
Alles in allem verging die so erlebnisreiche Woche in Paris viel zu schnell! Doch wir blicken zurück auf Erlebnisse, die uns dem Wissen und Verständnis von China ein Stück nähergebracht haben.

Mein Jahr 2021 mit Chin-KoBe

[06.01.2022]

Ein Gastbeitrag von Eike Broszukat, Stipendiat der Hans-Böckler-Stiftung und Teilnehmer des CHIN-KoBe-Projekts.

Was weißt du eigentlich über China? Wahrscheinlich kennst du die geographische Lage in Asien, dass das Land von Xi Jinping und der Kommunistischen Partei regiert wird, bestimmt noch, dass viele unserer Produkte in China produziert werden und, dass Chinas Wirtschaft immer wichtiger in der Welt wird. Und darüber hinaus? Über den Konflikt um Hongkong hat man aus den Nachrichten gehört und auch über den um und mit Taiwan. In den letzten Jahren ist China wieder vermehrt in den Schlagzeilen aufgetaucht, sei es durch den sogenannten Handelskrieg mit den USA, dem Corona-Ausbruch in Wuhan oder den nun kommenden Olympischen Winterspielen. Jeder weiß ein bisschen was, doch ich habe in meinem Bekanntenkreis und bei mir selbst immer wieder festgestellt, dass das vorhandene Wissen meist sehr oberflächlich ist. Beispielsweise auf Fragen, wie die Menschen in China eigentlich leben, was die großen literarischen Werke Chinas sind oder wie die chinesische Wirtschaft denn aufgebaut ist, kann kaum einer eine ausgereifte Antwort geben. Das mag an der geographischen Entfernung liegen oder einer sehr westlich-zentrierten Berichtserstattung. Was auch immer die Gründe sind, bei einer Sache waren sich jedoch alle sicher: China wird in der Zukunft eine größere und wichtigere Rolle in der Welt spielen.

In meinem Studium der Wirtschaftspädagogik an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz wird China aktuell leider nicht thematisiert. Als Stipendiat der Hans-Böckler-Stiftung bin ich Anfang des Jahres über das Extranet der Stiftung auf das Chin-KoBe Projekt aufmerksam geworden und die Möglichkeit gesehen, mehr über diesen wichtigen, aber in der deutschen Bevölkerung nur oberflächlich bekannten Handelsriesen im Osten zu erfahren. Mit der Teilnahme erhoffe ich mir, zukünftig tiefergehende Antworten auf Fragen über China geben zu können. Ein bisschen Vorerfahrung konnte ich sogar schon mitbringen, denn in der Oberstufe habe ich bereits an einem Chinaaustausch teilgenommen.

Begonnen hat für mich der Einblick in China durch Chin-KoBe mit der Modulvorstellung des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung initiierten Projekts im März. Dort konnte ich einen guten Überblick zum Aufbau des Projekts und den angebotenen Möglichkeiten gewinnen.
Um ein Land besser verstehen zu können, ist es hilfreich, auch die Sprache zu verstehen, denn eine neue Sprache öffnet ein Tor zu einer neuen Welt. Im Mai begann der Bewerbungszeitraum für das dritte Modul, den Chinesisch-Sprachkursen des Landesspracheninstituts in der Ruhr-Universität Bochum. Begeistert von der Vorstellung bewarb ich mich. Zwei Wochen später kam die Förderzusage. Der nächste Chinesisch-Grundlagen-Abendkurs sollte im Oktober beginnen, sodass noch etwas Zeit zur Vorfreude gegeben war.
Anfang Juni startete bereits die Ausschreibung für das erste Modul, der Onlineakademie Ende September. Nach dem auch diese Bewerbung abgeschickt war, hieß es erstmal warten, doch langweilig sollte es bis dahin nicht werden, denn in der Zwischenzeit gab es bereits einige Möglichkeiten, etwas über China zu lernen. Mit mehreren Lunchtalks, bei denen sich chinesische Hochschulen vorstellten, die Chronologie der Pandemie aus Fernost analysiert wurde und einer Webtalkreihe zum Unternehmertum und Innovation in China, gab es viel Wissensfutter für Chinainteressierte. Einen besonderen Einblick gab das China-Wochenende des LSI Bochum im August. Der Sinologe Dr. Hermann Halbeisen gaben uns zuerst eine spannende Einordnung zur historischen Entwicklung Chinas, vom Imperium zum Nationalstaat und den daraus folgenden Implikationen. Daran anschließend schauten wir uns mit seinem Kollegen Dietmar Ebert eine Momentaufnahme der Digitalisierung und Einführung des Sozialkreditsystems an. Welche Rolle dabei vor allem auch Unternehmen spielen, wurde eingehend beleuchtet. Am Sonntag standen Chinas verschiedene internationale Aktivitäten auf dem Prüfstand. Wir beschäftigten uns mit den Fragen, wie Chinas Belt & Road Initiative, auch bekannt als die neue Seidenstraße, voranschreitet und welche Rolle China in der Weltgemeinschaft anstrebt.
Der pandemischen Lage geschuldet, waren die Veranstaltungen zwar alle in digitaler Form, aber nichtsdestotrotz konnte man sich gut mit anderen chinainteressierten Stipendiaten vernetzen. Zum einen in der offiziellen LinkedIn-Gruppe des Projekts und zum anderen in der inoffiziellen WhatsApp-Gruppe der Stipendiaten. Der Austausch stößt immer wieder neue Gedankengänge an, denn die vielfältigen Hintergründe der Stipendiaten aller Werke und ihre unterschiedlichen Studienrichtungen bieten neu Sichtweisen. Eine Biotechnologin blickt natürlich anders auf China, als ein Jurist oder ich als Wirtschaftswissenschaftler es tue.
Das ist mir besonders bei der Onlineakademie Ende September aufgefallen. Die Akademie war voller spannender Themen unterschiedlichster Arten und über Zoom mit Qiqo-Chat, einer Art „sozialen Hülle“ für Zoom, hervorragend organisiert. Das Themenspektrum reichte von historischen Hintergründen, wie Kunstgeschichte, dem Einfluss des Daoismus, Konfuzianismus & Legalismus oder dem Ursprung der Schriftzeichen; über die Wirtschafts- und Arbeitswelt in China bis hin zur Außenpolitik Chinas. Vor, während und nach den Inputs der Referenten kamen wir dabei immer in kleineren „Reisegruppen“ aus vier bis sechs Leuten zusammen. Dort reflektierten und diskutierten wir noch einmal das Gelernte. So ließen sich interessante Einblicke gewinnen und dabei neue Freundschaften knüpfen. Die neun Tage der Akademie waren eine sehr intensive, aber spannende Zeit. Die Referenten haben die Themen sehr anschaulich und interaktiv gestaltet und sowohl China-Anfängern als auch erfahreneren China-Enthusiasten viel Neues mitgeben können. Als sehr interessant habe ich besonders die Vorstellung der Studienerfahrungen in China empfunden. Ich hoffe, dass die Austauschprogramme meiner Universität bald wieder anlaufen und ein Auslandsemester in China möglich wird.

Im Oktober war es dann endlich soweit und der Sprachkurs ging los. Am Anfang hat man natürlich einen enormen Respekt vor der Sprache. Chinesisch gilt immerhin nicht grade als eine einfache Sprache, doch man kann sich überraschend gut rein finden. Der Satzbau ist (bisher noch) sehr übersichtlich: so gut wie jeder Satz hat eine Subjekt-Prädikat-Objekt Reihenfolge. Die Schriftzeichen lassen wir noch außenvor und lernen die Sprache mit der Romanisierung Pinyin. Das Schwierigste ist meiner Meinung nach, dass viele Wörter Homophone sind und sich nur durch einen anderen Ton in der Aussprache unterscheiden. Es zählt also genaues Zuhören und deutliches Sprechen, dann ist „Chinesisch 1“ für jeden sehr gut machbar.

Neben dem Sprachkurs hat im Oktober noch eine zweite Sache begonnen, die mir einen besseren und den wahrscheinlich leckersten Einblick in China gegeben hat. Sechs Wochen gab es dienstags in Kooperation mit Jonas und Yuhang von dem Restaurant UUU in Berlin einen digitalen Chinesisch-Kochkurs. Die Rezepte waren manchmal etwas tricky, aber eigentlich immer sehr gut machbar und jedes Mal super lecker. Am besten haben mir die trocken gebratenen grünen Bohnen (干煸豆⻆) und Yuxiang-Gemüse (鱼香茄子) gefallen. Die grünen Bohnen sind ein so leckeres und einfach zuzubereitendes Gericht, dass wir es zu Hause mittlerweile als ein Standardgericht in unser Repertoire aufgenommen haben. Allein, wenn ich jetzt daran denke und läuft mir das Wasser im Mund zusammen – absolute Empfehlung also für den Kochkurs und chinesisches Essen!

Nachdem die ersten Spracheindrücke gesammelt waren, ging es Ende Oktober mit dem Interkulturellen-Training und dem zweiten Modul weiter. An zwei Wochenende bekamen wir von Frau Tran einen spannenden Einblick in die kulturellen Besonderheiten Chinas. Dabei standen Tischmanieren, Verhalten in Gruppen oder bei Konflikten im Blickpunkt der Tage. Egal wie lecker das Essen auch ist und wie sehr einem die deutsche Stimme im Kopf sagt: „Aufessen was auf den Tisch kommt!“, in China lässt man immer einen Rest übrig, aus Respekt vor dem Gastgeber und dass dieser für genug Essen gesorgt hat, denn: Gesicht geben bzw. Gesicht wahren (给面子) ist eine wichtige Sache im Reich der Mitte.

Neben den zwei Tagen Sprachkurs die Woche, dem Kochkurs und dem Interkulturellen-Training am Wochenende, war mein Stundenplan in den letzten Oktoberwochen voll mit China. Um in der freien Zeit, die noch blieb, neben dem neuen Semester etwas zu entspannen, habe ich begonnen, den chinesischen Klassiker „Die Geschichte der drei Königreiche“ (三国演义) zu lesen. Das was die Ilias, Odyssee oder Argonauten-Sage für die westliche Hemisphäre ist, das ist Luo Guanzhongs Werk, welches zu den vier großen Klassikern der chinesisch-sprachigen Literatur zählt, für die chinesische Kultursphäre.

Im November hat mein persönliches Highlight stattgefunden. Mit einer kleinen Gruppe Stipendiaten aus den unterschiedlichen Förderwerken haben wir uns auf den Weg gemacht, China in Europa zu erkunden und uns den Abdruck des chinesischen Lebens in Berlin anzuschauen. Mit einem guten Coronakonzept, 2G und täglichem Testen, konnten wir in Präsenz erfahren, welche Spuren Chinesinnen und Chinesen in Berlin hinterlassen haben. Begonnen haben wir im chinesischen Times Art Center, in dem wir eine Kunstausstellung über die chinesische Diaspora in den Amerikas angeschaut haben. Welche Rolle die chinesisch-stämmigen Migranten bei der Erschließung Amerikas oder dem Bau des Panamakanals gespielt haben, war mir vorher nicht bewusst. Es folgte ein sehr aufschlussreicher Besuch des Auswärtigen Amts, bei dem wir einen tiefen Einblick in die deutsche Außenpolitik mit und in China bekamen. Anschließend besuchten wir das Humboldt-Forum, in dem wir uns die Asienabteilung mit chinesischer Hofkunst und Ai Weiweis Teehaus anschauten. Am letzten Tag hörten wir einen lebhaften Vortrag von Dagmar Yu-Dembski, Tochter eines Chinesen, der zu Zeiten der Weimarer Republik nach Deutschland kam, über das Leben und Aufwachsen von Chinesen in Deutschland. Der zweite Vortrag von Dr. Daniel Fuchs über Wanderarbeiter, Streiks und Gewerkschaften in China hat mich als IG Metaller besonders fasziniert. Die Arbeiter in China haben ebenfalls noch einen langen Marsch vor sich, bis sie bessergestellt sind und über eine mit der in Deutschland vergleichbaren Vertretung verfügen.
Garniert war das Wochenende mit kulinarischen Impressionen aus Chinas Esskultur. Wir konnten in chinesischen Restaurants kennen lernen, wie chinesisches Essen zubereitet wird, wie man in China gemeinsam isst und wie lecker Chinas Spezialitäten schmecken. Das Wochenende verging wie im Flug und hat sehr viele schöne Einblicke, nette Bekanntschaften und vor allem neues Chinawissen mit sich gebracht.

Kaum zu Hause angekommen, ging es am folgenden Wochenende schon mit der zweiten Runde des ersten Moduls, der Aufbauakademie weiter. Diesmal mit Themenfeldern wie Chinas Plan zur künstlichen Intelligenz, der Autoindustrie in China und der geopolitischen Verschiebung im Südchinesischen Meer. Am Ende der Akademie gab es dann mit einem Planspiel zur politischen Lage im Südchinesischen Meer noch einen weiteren Höhepunkt. Gemeinsam mit einem Partner sind wir in die fiktiven Rollen der Staatsoberhäupter Gagoniens (China), Saloniens (Philippinen), der Inotischen Union (EU) und einiger anderer Länder geschlüpft, um den Konflikt zu deeskalieren und ihn mit verschiedenen Zielsetzungen zu lösen. Nach zwei spannenden Tagen, harten Verhandlungsrunden und fairen Kompromissen konnten wir zumindest unsere fiktive Auseinandersetzung entschärfen und eine militärische Eskalation verhindern. Die gemachten Erfahrungen und das gewonnene Verständnis für den Konflikt werden mir und den anderen Teilnehmern in Zukunft sicherlich helfen, einen kühlen Kopf zu bewahren.

Mit dem Ende der Aufbauakademie und dem Chinesisch-Sprachkurs im Dezember geht für mich ein interessantes und lehrreiches Jahr mit Chin-KoBe zu Ende. Es gab viel über China zu lernen, neue Eindrücke zu gewinnen und die Möglichkeit, die eigene Chinakompetenz nachhaltig zu erweitern. Mittlerweile kann ich definitiv mehr Fragen als vor einem Jahr beantworten, aber es sind noch viele offen und noch mehr dazu gekommen. Deshalb wünsche ich mir für 2022, dass ein Austausch mit China wieder möglich sein wird. Die Lust darauf auch einen Einblick vor Ort zu gewinnen zu können und Fragen in China zu beantworten ist 2021 immens gewachsen. Bis dahin freue ich mich auf die Dinge die Arvid, Jürgen und Nadine vom Chin-KoBe Projekt für uns Stipendiaten 2022 geplant haben.